Ein anderes Sprichwort heißt so: Wenn man den Teufel an die Wand mahlt, so kommt er. Das sagt mancher, und verstehts nicht. Den bösen Geist kann man eigentlich nicht an die Wand mahlen, sonst wäre es kein Geist. Auch kann er nicht kommen. Denn er ist mit Ketten der Finsterniß in die Hölle gebunden. Was will denn das Sprichwort sagen? Wenn man viel an das Böse denkt, und sich dasselbe in Gedanken vorstellt, oder lang davon spricht, so kommt zuletzt die Begierde zu dem Bösen in das Herz, und man tuts. Soll der böse Feind nicht kommen, so mahl’ ihn nicht an die Wand! Willst du das Böse nicht thun, so denke nicht daran wo du gehst und stehst, und sprich nicht davon, als wenn es etwas Angenehmes und Lustiges wäre.
Einmal ist Keinmal. Dieß ist das erlogenste und schlimmste unter allen Sprichwörtern, und wer es gemacht hat, der war ein schlechter Rechnungsmeister oder ein boshafter. Einmal ist wenigstens Einmal, und daran läßt sich nichts abmarkten. Wer Einmal gestohlen hat, der kann sein Lebenlang nimmer mit Wahrheit und mit frohem Herzen sagen: Gottlob! ich habe mich nie an fremden Gut vergriffen, und wenn der Dieb erhascht und gehenkt wird, alsdann ist Einmal nicht Keinmal. Aber das ist noch nicht alles, sondern man kann meistens mit Wahrheit sagen: Einmal ist Zehnmal und Hundert- und Tausendmal. Denn wer das Böse Einmal angefangen hat, der setzt es gemeiniglich auch fort. Wer A gesagt hat, der sagt auch gern B, und alsdann
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/095&oldid=- (Version vom 1.8.2018)