Also wäre es wohl möglich, daß sie an sich ein fester mit mildem Licht umflossener Weltkörper sey, und daß auf ihr Jahr ans Jahr ein wunderschöne Pfingstblumen blühen und duften, und statt der Menschen fromme Engel dort wohnen, und ist dort, wie im neuen Jerusalem, keine Nacht und kein Winter, sondern Tag und zwar ein ewiger freudenvoller Sabbath und hoher Feyertag. Schon Doktor Luther hat einmal so etwas verlauten lassen, und der gelehrige Leser begreifts ein wenig, aber doch nicht recht.
In der Türkei, wo es bisweilen etwas ungerade hergehen soll, trieb ein reicher und vornehmer Mann einen Armen, der ihn um eine Wohlthat anflehte, mit Scheltworten und Schlägen von sich ab, und als er ihn nicht mehr erreichen konnte, warf er ihn noch mit einem Stein. Die es sahen, verdroß es, aber Niemand konnte errathen, warum der arme Mann den Stein aufhob, und ohne ein Wort zu sagen, in die Tasche steckte, und Niemand dachte daran, daß er ihn von nun an so bey sich tragen würde. Aber das that er. Nach Jahr und Tag hatte der reiche Mann ein Unglück, nemlich er verübte einen Spitzbubenstreich, und wurde deswegen nicht nur seines Vermögens verlustig, sondern er mußte auch nach dortiger Sitte zur Schau und Schande, rükwärts, auf einen Esel gesezt, durch die Stadt reiten. An Spott und Schimpf fehlte es nicht, und der Mann mit dem
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/016&oldid=- (Version vom 1.8.2018)