anlangen, so doch eine Canonenkugel einen scharfen Flug hat, und zu einer Weite von 600 Fuß, nicht mehr als den sechzigsten Theil einer Minute bedarf.
Daß nun weiters die Sonne auch nicht bloß eine glänzende Fensterscheibe des Himmels, sondern wie unser Erdkörper eine schwebende Kugel sey begreift man schon leichter. Aber wer vermag mit seinen Gedanken ihre Größe zu umfassen, nachdem sie aus einer so entsetzlichen Ferne solche Kraft des Lichts und der Wärme noch auf die Erde ausübt, und alles segnet, was ihr mildes Antlitz bescheint? Der Durchmesser der Sonne ist 114 mal größer als der Durchmesser der Erde. Aber im Körper-Maas betragt ihre Masse anderthalb Millionen mal so viel als die Erde. Wenn sie hohl wäre inwendig, so hätte nicht nur unsere Erde in ihr Raum, auch der Mond, der doch 50,000 Meilen von uns absteht, könnte darinn ohne Anstoß auf- und untergehn, wie so, ja er könnte noch einmal so weit von uns entfernt seyn als er ist, und doch ohne Anstoß um die Erde herum spatzieren, wenn er wollte. So groß ist die Sonne, und geht aus der nemlichen allmächtigen Hand hervor, die auf der Erde das Magsaamen- oder Mohnsamenkörnlein in seiner Schale bildet und zur Reife bringt, eins so unbegreiflich, wie das andere. Der Hausfreund wenigstens wüßte keine Wahl, wenn er eine Sonne, oder ein Magsamenkörnlein machen müßte mit einem fruchtbaren Keim darin.
Lange nun glaubten selbst die gelehrtesten Sternforscher, diese ganze unermeßliche Sonnenmasse sey nichts anders, als eine glühende Feuerkugel durch und durch. Nur konnte keiner von ihnen begreifen, wo
Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Tübingen 1811, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schatzkaestlein_des_rheinischen_Hausfreundes.djvu/014&oldid=- (Version vom 1.8.2018)