Seite:Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz.pdf/22

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

rechts: Ob der Doktor Lessing wohl hier sei? Er bitte gar sehr um Entschuldigung. Man möge ihm doch ja verzeihn. Er wolle nur eilend den Doktor Lessing sehn. Welches denn der Doktor Lessing sei? Er komme grade aus Schwabing.

Ob er sich nicht setzen und ein bischen zuhören wolle? Nein, er könne nicht zuhören. Er sei nur gar so kurz in München.. München sei ihm als Stadt im ganzen sympathisch. Ganz anders doch als Berlin! Er werde vielleicht darüber schreiben. Er sei am Morgen in der alten Pinakothek gewesen. nun wolle er gleich in die neue Pinakothek gehen. Aber am Abend, wenn es dunkel werde, dann könne man ja keine Kunst mehr sehen. Dann widme er mir mit Vergnügen seine wertvolle Zeit. Dann könnten wir vielleicht ein bischen unsere Seelen tauschen.

Jawohl, sagte ich, heut Abend um 9 Uhr im Café Luitpolde, hinten links auf dem roten Fauteuil unter dem großen Venetianerspiegel. Und das Gebürtchen knixte wieder rückwärts und machte neue Abschiedssermönchen und mauschelte mit den Beinchen, gar weit sein Bäuchlein streckend, wodurch es Würde markierte und den Stolz des ganz großen Literaten, oder die tragische Höhe eines Propheten unter den Sterblichen. Die Türe schloß sich hinter ihm. Die Herrschaften blickten einander an, ein bischen stupéfaits.

Oh, look, what a swell! sagte die wunderschöne Amerikanerin an meiner Seite, was soviel heißen sollte, wie: Welch interessanter Zeitgenosse! Was haben Sie denn für orajöse Bekanntschaften? fragte der Doktor Simon mit der ihm angeborenen Schnoddrigkeit. Ich aber sprach: Damen und Herren, der eben erlebte Augenblick möge ein Markstein auf ihrer Lebenspilgerschaft bleiben. Der Mann, den Sie soeben staunend erschaut, ist ein deutscher Dichter. Das heißt, er hat viele Bücher geschrieben und wird zweifellos auch künftighin viele Bücher schreiben. Ich kann sie nicht alle lesen, aber sie werden unbedingt sehr gescheit sein. Er heißt Samuel Lublinski und kommt aus Pinne in Posen.

2.

... Betrittst Du das Café Luitpolde, dann schreitest Du einen Gang entlang, der sich gegen Ende zu einem Carré weitet. An den Wänden dieses Carrés hängen rechts und links zwei große Spiegel aus Venetianerglas. Davor stehen zwei rote Plüschsofas. Auf dem roten Plüschsofa links habe ich drei Jahre gesessen. Ihr glaubt mirs nicht? „En est a vida todo es vertad y todo es mentira“: drei Jahre lang,