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Deutschland und Russland aufgezeichnet worden sind. In den westlichsten teilen Europas ist es nicht bekannt, ebenso wenig in Nordenropa. Meine untersuchung hat diesem märchen etwa folgende urform gegeben:

Ein ei, ein skorpion, eine nadel, ein stück kot und ein mörser (ein harter, schwerer gegenstand) befinden sich zusammen auf der wanderschaft. Sie gelangen in das haus eines alten weibes, während diese nicht daheim ist, und verstecken sich in der absicht der alten böses zuzufügen an verschiedenen stellen, die alte erwartend. Das ei nimmt im herde platz, der kot bei der tür, der mörser oben über der tür usw. Als die alte in der nacht nachhause kommt, fallen die im hause befindlichen über sie her. Als sie zum herd geht, um feuer anzuzünden, zerspringt das ei und fliegt ihr ins gesicht, als sie erschrocken aus der stube entweicht, gleitet sie auf dem an der tür liegenden kote aus und stürzt hin, und zugleich fällt der mörser herab und tötet sie.

Es lässt sich nachweisen, dass das märchen von den auf der wanderschaft befindlichen hausgeräten, tieren u. a. aus Asien, wahrscheinlich aus Süd- oder Ostasien, stammt und sich von dort auf mündlichem wege nach Europa verbreitet hat.

Vergleichen wir nun das europäische und das asiatische märchen miteinander, so bemerken wir, dass in beiden eine anzahl wanderer vorhanden sind, die sich in einem hause niederlassen, während dessen besitzer abwesend ist, jeder wählt sich den für ihn geeignetsten platz, und als der besitzer des hauses in der nacht heimkommt, überfallen sie ihn. Aber die ähnlichkeit der märchen beschränkt sich nicht auf die haupthandlung, sondern sie erstreckt sich stellenweise auf einzelne züge. Der herabfallende schwere gegenstand und der auf dem balken krähende hahn, die beide bei der vertreibung die letzte aufgabe vollziehen, erinnern nahe aneinander. Ebenso verhält es sich mit dem ei und der katze, die beide auf dem herde platz nehmen und beide dem zum feueranmachen herbeikommenden gegner ins gesicht fahren.

Die märchen weisen eine so grosse übereinstimmung auf, dass sie inbezug auf den ursprung in zusammenhang miteinander stehen

Empfohlene Zitierweise:
Antti Aarne: Beiträge zur frage nach dem verhältnis zwischen den morgen- und abendländischen märchen. Société Finno-ougrienne, Helsinki 1914, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SUST_MSFou_XXXV,_1.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)