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Beiträge zur frage nach dem verhältnis zwischen den morgen- und abendländischen märchen.
Von
Antti Aarne.

Zu den interessantesten fragen auf dem gebiete der märchenforschung gehört die nach dem gegenseitigen verhältnis der morgen- und abendländischen märchen. Die reichen märchenschätze des Orients haben sich teils mündlich, teils durch vermittlung der literatur nach verschiedenen seiten hin verbreitet, und unbestreitbar ist, dass viele europäische märchen aus dem Orient stammen. In dem zu Wilh. Thomsens 70 geburtstage erschienenen festband der „Finnisch-ugrischen Forschungen“ behandelte ich diese frage, wiewohl in beschränkter form, bei der besprechung der in zwei etwas früher veröffentlichten deutschen werken vorgebrachten ansichten über die bedeutung der indischen märchen. Diesmal will ich eine seite der frage berühren, die meines erachtens mehr berücksichtigung verdient, als ihr, soweit ich sehen kann, zugewandt wird.

Die morgenländischen märchen haben nicht bloss durch wanderung, also durch entlehnung auf den abendländischen märchenschatz eingewirkt, sondern sie scheinen mitunter auch als vorbilder bei der entstehung neuer abendländischer märchen gedient zu haben. Ich führe fälle an, wo, wie mir scheint, nach orientalischen märchen im Okzident ganz neue märchen zusammengesetzt worden sind, die sich dann im volksmund und auch in der literatur verbreitet haben, und zwar kommen darunter einige von unseren allergewöhnlichsten märchen vor.

Empfohlene Zitierweise:
Antti Aarne: Beiträge zur frage nach dem verhältnis zwischen den morgen- und abendländischen märchen. Société Finno-ougrienne, Helsinki 1914, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:SUST_MSFou_XXXV,_1.djvu/1&oldid=- (Version vom 14.12.2022)