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Mitte Januar

„Nun schon seit Wochen so hinliegen. — Wollte ich mir meine ganze Verzweiflung eingestehen!

Wozu immer wieder sich aufraffen, wenn doch alles umsonst ist. Als ob ein Gespenst mich vor meinen eigenen Augen hinwürgte — ich kann nicht leben und nicht sterben.

Heute habe ich mir mit vieler Mühe den Lehnstuhl ans Fenster geschleppt — es ist ein wahres Ereignis, einmal den Platz zu verändern, in den Hof hinauszusehen, wo ein paar Knechte Holz hacken und der Schnee von den Dächern rinnt. Alles trüb und grau, weiche, drückende Vorfrühlingsluft, über dem Kohlenschuppen graugelbe Häuserwände — so einer von den Tagen, wo man sehnsüchtig von Luft und Licht träumen möchte wie ein Gefangener. Ja, was ist das für ein Dasein, wenn man krank ist — morgens liege ich lange im Bett, nur um nicht in den Tag hinein zu müssen. Dann mit dem Hammer dreimal an die Wand klopfen, bis der alte Hausmeister kommt, um Feuer zu machen. Er läßt die Tür offen, und sie knarrt, daß ich weinen möchte, dann fliegen die Späne durchs Atelier, und dabei unterhalten wir uns über das Elend im Leben — drüben liegt seine Frau schon seit Monaten krank. Die beiden Alten sind wie eine Art Familie für mich. Dann bringt er mir den Kaffee, der auf meinem schwarzen Koffer serviert wird, weil kein anderer Platz da ist. Ich stehe allmählich auf, alles ist in Unordnung, nichts da, was ich brauche.

Mein roter Schlafrock ist mein einziger Trost, der sieht wenigstens aus, als ob man bessere Tage gekannt hätte, und wenn ich die alte Frau drüben besuche, findet sie mich sehr schön.“


15. Februar

„Heute kommt mein Doktor wieder — sieht mich sehr ernst an.

Ich habe doch recht gehabt —, die Hoffnung, an die ich nicht zu glauben wagte — — Ein Kind, mir ein Kind —, am liebsten wäre ich ihm um den Hals

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 694. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0694.png&oldid=- (Version vom 27.9.2016)