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Blaue hineinleben — ich muß wenigstens vier, fünf Jahre ganz für mein Studium haben, das geht allem andern vor.“

„Auch mir und unserm Glück?“

„Das darf dir nicht weh tun, und du darfst es nicht verkehrt verstehen. Wenn ich in der Kunst nicht zu dem komme, was ich will, kann ich dich auch nicht glücklich machen und nicht glücklich sein.“

„Ellen, du sollst ja deine Kunst haben und alles, was ich dir schaffen kann. Und ich werde nie verlangen, daß du sie aufgibst, um eine gute Hausfrau zu werden. Siehst du, ich habe mir das alles überlegt — vor dem nächsten Frühjahr können wir nicht an Heiraten denken, ich fasse es auch nicht so auf, daß man nun festgeschmiedet ist. Ich will damit zufrieden sein, wenn du immer ein halbes Jahr bei mir bist und die übrige Zeit dich in Berlin oder München weiterbildest. — Wie weit denkst du überhaupt mit deinen sechshundert Mark zu reichen, in diesem Jahr werde ich dir so gut wie gar nicht helfen können.“

„Ach, das findet sich alles, wenn ich nur erst dort bin — du bist so gut, Reinhard,“ — ihr war immer noch etwas beklommen — „aber jetzt wollen wir das noch erst mal ruhen lassen, nicht wahr?“


Als Ellen in dem kleinen Badeort ankam, regnete es in Strömen. Nachmittags kam ein Telegramm von Allersen, das Lisa ihr nachgeschickt hatte: „Warum so lange keine Nachricht, bin in Unruhe?“

So setzte sie sich in der niedrigen Bauernstube an den Tisch und schrieb einen langen Brief an ihn, während schwere Tropfen an die Scheiben schlugen und die Kühe draußen in den Wiesen dumpf gegen den Himmel brüllten. Sie wurde traurig und nachdenklich dabei — wieder etwas, das sich von ihr loslöste, und es schien ihr eine ewige Wiederholung, daß sie Liebe wollte und Liebe nahm und im Grunde doch immer nur an sich selbst dachte — geliebt sein wollte, aber ohne etwas dafür hinzugeben.

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 616. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0616.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)