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zu besiegen hatte, daß hingegen der Troubadour auch gegen Begriffe von innerer Würde und äußerem Anstande bey seiner Dame ankämpfte; so lassen sich die Abweichungen, die wir in der Denkart Beyder über die Liebe antreffen, beynahe alle erklären. [1]

Haben denn die Morgenländer gar keinen Einfluß auf den Geschmack der Troubadours und ihre Ideen über die Liebe gehabt? Ich wage dieß nicht zu verneinen. Aber Alles, was man Aehnliches unter ihnen antrifft, läßt sich aus den Verhältnissen der Abendländer für sich erklären, ohne daß man nöthig hätte, auf die Sitten der Orientaler zurückzugehen. Niemahls wird man doch die Aehnlichkeit so stark finden,


  1. Vielleicht aber haben die Troubadours auch gar keine bestimmten Muster unter den klassischen Autoren vor Augen gehabt; vielleicht hat sie nur der Ton geführt, der aus den Schulen herausschallete. Dieß ist gar nicht unwahrscheinlich. Ihre Ideen, ihr Ausdruck haben viel Aehnlichkeit mit demjenigen, was wir beym Philostrat, Aristenät, Alciphron und den griechischen Erotikern antreffen. Wie wenn die Nachfolger dieser Sophisten, die neueren Rhetoren, welche den Schulen vorstanden, die einmahl darin angenommene Vorstellungs- und Darstellungsart, selbst nach dem Verlust der Originale, beybehalten, sie in die Redeübungen wozu sie Anleitung gaben, übertragen hätten, und diese wieder durch einen oder mehrere ihrer Schüler, die sich in der Landessprache versuchten, nach der besondern Lage des Troubadours und seines Publikums verarbeitet, diesem letzten überliefert wären! Es ist damahls gewiß Mehreres aus den Schulen in die wirkliche Welt übergegangen, als wir gemeiniglich glauben. Die Briefe der Heloyse an Abeilard, sind sicher nach einer nahen oder fernern Kenntniß der Liebesbriefe im Geschmack der Sophisten verfertigt; und höchst wahrscheinlich sind die sogenannten Tençons Nachbildungen gewöhnlicher dialektischer Uebungen in den Schulen.