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daher: ob die provenzalischen Dichter ihre Kunst von den Morgenländern entlehnt haben? so kann dieß weiter nichts heißen, als: ob sie den höhern Grad an Ausbildung, den wir in ihren Gedichten bemerken, der Bekanntschaft mit der arabischen und persischen Poesie verdanken? Die Bejahung dieser Frage hat viele anscheinende Gründe für sich. Ich selbst habe lange in dieser Meinung gestanden. Allein bey der genauern Prüfung scheint wenigstens ein so vertrauter Umgang der Troubadours mit den morgenländischen Musen nicht Statt gefunden zu haben, daß ihre Werke ihnen zu Vorbildern hätten dienen können.

Gesetzt, daß die Erlernung fremder Sprachen auch nicht mit den Schwierigkeiten verknüpft gewesen wäre, die man damahls, besonders bey Völkern von ganz verschiedenen Stämmen, annehmen muß; so zeigt dennoch die grobe Unwissenheit der Abendländer in allem, was die Sitten und die Religion der Muhammedaner anbetrifft, wie wenig sie sich mit diesen bekannt gemacht haben müssen. Ueberall, und selbst bey den Troubadours, werden die Saracenen mit den Heiden verwechselt, und der Glaube an Muhammed als Gott, ja! an mehrere Götter, von denen einige sogar aus der alten Mythologie der Griechen und Römer entlehnt sind, wird ihnen an mehreren Stellen beygelegt. [1]

Viel wichtiger aber ist der Grund, daß der Geist, der in den Gedichten der Perser und Araber herrscht, so ganz von demjenigen abweicht, den wir in den


  1. Hist. des troubadours, article Guillaume de Bergedan. Dieser Troubadour, der die Muhammedaner der Vielgötterey beschuldigt, war noch dazu aus Catalonien.