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gegen vollkommene Pflicht und äußere Hindernisse, als gegen seine Weiblichkeit ankämpft, ehe es dem Liebhaber den Besitz seiner Person unter Autorität der Gesetze zusichert. Das schöne Geschlecht erscheint bey ihnen mit einer Verschämtheit, mit einer Zartheit der Empfindungen und zugleich mit einem zurückhaltenden Stolze, die an Schüchternheit, Hinschmelzung und zuweilen an Eigensinn gränzen: das stärkere behandelt die Liebe mehr mit vernünftiger Zärtlichkeit, als mit Leidenschaft.

Deutschland hat wenig Eigenthümliches in seinen Begriffen von der Liebe aufzuzeigen. Die eigentlichen Liebeshändel werden hier selten mit wahrem Adel und mit unverkünstelter Zartheit in den erotischen Produkten der schönen Litteratur, und im gemeinen Leben behandelt. Dagegen können wir darauf stolz seyn, in unsern höhern Ständen mehr glückliche Ehen zu kennen und diese mehr zu schätzen, als vielleicht in jedem andern Lande. Die Dänen nähern sich am mehrsten den Engländern. Von den übrigen nördlichen Nationen, welche der Verfasser nur sehr oberflächlich kennt, weiß er wenig zu sagen.

Die südlichen Völker von Europa haben mehr von der alten Galanterie beybehalten. Die Cicisbeatura der Italiäner, welche der Verfasser selbst zu beobachten Gelegenheit gefunden hat, zieht vorzüglich seine Aufmerksamkeit auf sich. Das Charakteristische in dieser Art von Geschlechtsverbindung zwischen Personen, die kein gesetzliches Band vereinigt, besteht in der Ueberzeugung von ihrer Nothwendigkeit für die Damen, um mit Anstand und einem gewissen Grade von Ansehn in der guten Gesellschaft zu erscheinen.

Diese Sitte ist ein Ueberbleibsel der alten Galanterie, die aber durch den französischen Ton eines freyern Umgangs zwischen beyden Geschlechtern besonders modificiert, und unterstützt