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raubt selbst dann, wenn sie sich noch so sehr vor gröberen Ausschweifungen bewahrt, dem Gatten das Herz seines Weibes: sie beschränkt diesen Gatten bloß auf die Freuden der sinnlichen Begierde, die ihm noch dazu bloß aus Pflicht eingeräumt werden; und der edlere Theil der Liebe, die Freundschaft, bleibt dem Cicisbeo. Dieß führt eine förmliche Bigamie herbey: es vermehrt die Reitze des Cölibats, indem der Cicisbeo alle Annehmlichkeiten, und keine der Unannehmlichkeiten des Ehemanns empfindet: es erschwert eben dadurch, und weil die verheiratheten Frauen zwey Männer haben, den Mädchen die Gelegenheit zur Versorgung.

Die Cicisbeatura larga, welche eine bloße Freundschaft, ohne allen Anspruch auf Auszeichnung und Vertraulichkeit enthält, wird dagegen in Schutz genommen, und durch die Autorität des heiligen Franziskus de Sales unterstützt.

Der zweyte Brief findet seine Veranlassung in der Vertheidigung, die Baretti [1] gegen die Angriffe des Dr. Sharp in seiner Reise in Italien wider die Cicisbeatur übernommen hatte. Unser verkappter Engländer begleitet diese Vertheidigung mit einigen Bemerkungen. Sharp hatte die Verhältnisse, welche man unter dem Nahmen der Cicisbeatur zusammenfaßt, als lauter ausgelassene Liebeshändel und Ehebrüche betrachtet. Baretti sucht zu zeigen, daß die Sitten in Italien nicht schlechter wären als anderswo, und unser


  1. Ragguaglio dei Costumi, e delle maniere d’Italia, con osservazioni sopra gli sbagli presi da certi Viaggiatori nello scrivere di questo paese.