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feurigen Imagination, und sehr entzündbaren Sinnen, im Kloster erzogen, und auf einmahl in die Welt an die Seite eines Gatten versetzt, dessen Wahl ihr Herz nicht bestimmt; würden sie den eigensinnigsten, ausschweifendsten und abwechselndsten Neigungen ausgesetzt seyn, sich und ihre Familie dem öffentlichen Scandal aussetzen, wenn man ihnen eine völlige Freyheit gestatten, oder auch nur bey einer beschränkteren nicht erlauben wollte, eine Verbindung einzugehen, die einen Theil ihrer Wünsche befriedigt, ihrer Eitelkeit schmeichelt, und ihre Muße ausfüllt.

Die geselligen Unterhaltungen in Italien sind bey weitem nicht so abwechselnd, so lebhaft und so häufig, wie in Frankreich. Das Herz und die Imagination werden hier nicht zerstreuet: der Verstand wird hier nicht allein belustigt. Unter solchen Umständen ist schon die Besorgung der Formen der Cicisbeatur von Wichtigkeit zur Ausfüllung der Muße; und diese Sitte der Italiäner scheint in der genauesten Verbindung mit ihrem dolce far niente zu stehen.

Die Ausgelassenheit des Pöbels, der rohere Ausbruch der Leidenschaften selbst in den Zirkeln höherer Stände, zeigt die Nothwendigkeit, daß die Dame, wenn sie außer Hause geht, einen Begleiter, einen Beschützer haben müsse. Der Mann konnte dieß nicht immer seyn, ohne sich dem Verdacht der Eifersucht auszusetzen. Man ließ den Cavaliere Servente, den Patito zu, und das Volk gewöhnte sich leicht an das Geleit von einem Fremden, den es von dem nahen Anverwandten nur selten zu unterscheiden wußte.

In den Freystaaten von Italien hat diese Einrichtung besonders viel Empfehlendes finden müssen. Der