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eingeschlichen, welche schlechte Erziehung, Nachäffung, Unbändigkeit und Aermlichkeit der äußeren Lagen nach sich ziehen. Ausnahmen, auf die wir stolz seyn können, und die uns die Achtung auswärtiger Nationen zugezogen haben, giebt es allerdings. Aber der herrschende Ton in unsern Romanen, Schauspielen, Liebesgedichten, u. s. w. zeigt Männer, die wie verliebte Schüler sprechen und handeln, und Mädchen, die den Stand der Nätherinnen nicht verläugnen. Einige dieser Erotiker haben die Veredlung der Liebe in einer anekelnden Empfindsamkeit, andere in den Aeußerungen einer ungezügelten Heftigkeit gesucht, die noch mehr den Wahnsinn der Begierde, als den Rausch der Imagination bezeichnet. Noch andere haben die Eleganz und die feinere Lüsternheit der Franzosen verdeutschen wollen, und sind in die lächerlichste Ziererey verfallen.

Die gute Gesellschaft in den Mittelklassen, und selbst hin und wieder bey Höfen, schwankt zwischen der englischen Courtship, der französischen Galanterie, der italiänischen Cicisbeatura, und der deutschen Romanenempfindsamkeit. Aber mit wahrer Freude und nicht geringem Stolze kann ich zugleich sagen, daß in meinem Vaterlande unter den höheren Ständen vielleicht mehr wie in jedem andern Lande, etwa Dännemark ausgenommen, viele glückliche Ehen angetroffen und geschätzt werden: Ehen, worin wahre Zärtlichkeit, Anerkennung eines gleichen Anspruchs auf Menschenwerth und Menschenwohl von Seiten beyder Gatten herrscht: Ehen, in denen der Mann in seiner Frau um so mehr die Freundin aufsucht, als in unsern egoistischen Zeiten das Zutrauen zu dem Freunde