Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung | |
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Kürze des Lebens auf die Verbindlichkeit, keine Blume desselben auf die Erde fallen zu lassen. Inzwischen verläugnet er nicht den Geschmack seiner Landesleute an einem übertriebenen Ausdruck begeisterter Liebe. Seine Grundsätze in diesem Punkte sind nur in so fern leicht zu nennen, als man sie mit denen vergleicht, die in den Bruchstücken anderer persischen Dichter vorkommen.
Haphyz zeigt sich überall als ein zügelloser Derwisch, dessen Hauptvorzug darin besteht, daß er kein Heuchler ist. Er ist der ausschweifenden Liebe zu Lieblingen ergeben, und an diese sind alle seine Gedichte gerichtet.
Das Merkwürdigste in diesen sind die sonderbaren, weit hergehohlten Bilder. „Die Liebe, sagt er unter andern, die mir anfangs leicht und unschuldig erschien, ist mir zuletzt beschwerlich gefallen. Für wenig Moschusduft, den das Haupthaar des Geliebten ausgeduftet hat, und den die Zephyre aus seinem duftenden Haupthaare herausbliesen, wie viel Blut ist nicht aus jedem Knoten seiner wohlriechenden Locken in das Herz der Liebhaber geflossen!“ –
„Wenn der liebliche Mundschenk mir hold wäre, so würde ich mit den Haaren meiner Augenbraunen den Boden seiner Behausung kehren.“ –
„Der Wind berührte deine Haarlocken, und vor Eifersucht verfinsterte sich die Welt über mir.“ –
„Der Vogel meines Herzens hatte sich der Beute meiner Fassung bemächtigt; aber du entfaltetest dein Haar, und sie entfiel seinen Klauen.“
„O Weinschenk! entzünde meinen Becher mit blitzendem Weine! Wißt ihr, warum ich so gern trinke? Ich
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.2.djvu/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)