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sich lieben lassen möchte. Er fand es eben so süß, der Vertraute, als der Gegenstand ihrer Liebe zu seyn. Nie betrachtete er ihren Liebhaber als seinen Nebenbuhler, sondern nur als seinen Freund. „Man wird sagen, setzt R. hinzu, auch das war nicht Liebe. Wohl, sagt er, so war es mehr!“

Mehr und weniger kann man antworten! Es war allerdings Leidenschaft; aber war es liebende Leidenschaft? War es ihm zur Natur, zum Charakter geworden, das Wohl der Madame d’Houvetot, schon für sich betrachtet, als unentbehrlich zu dem seinigen anzusehen? Nein! Von allem diesen war es nichts. Es war Wuth, Wahnsinn, wenn man will, das Bild, das in seiner Seele lag, realisiert zu sehen, und den einseitigen Genuß, den er von diesem nahm, möglichst zu versinnlichen. So haben oft Wollüstlinge, welche gröbere Begierden bey einem bestimmten Gegenstande nicht befriedigen konnten, feile Dirnen umarmt, indem sie sich das Bild der nicht erreichbaren Geliebten darunter dachten.

Roußeau sagt: „wenn schon nicht getheilte Liebe so glücklich macht, welche Freuden muß nicht Gegenliebe geben!“ Schwerlich würde diese ihm wahre Freuden gewährt haben. Eben der Umstand, daß er liebte, ohne wieder geliebt zu werden, gab dem Verhältnisse den höchsten Reitz; er machte das Ungewöhnliche, Außerordentliche aus, was er in allen seinen Schicksalen, Gesinnungen und Handlungen suchte: er gab ihm die Spannung, die Aufforderung zum Streben nach der Ueberzeugung, daß er hätte geliebt werden können, wenn das Herz der Madame d’Houvetot nicht vorher eingenommen gewesen wäre; eine Ueberzeugung,