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anzufüllen. Es war eine Pflicht, die ihm aufgelegt; es war kein Vergnügen, nach dem er lüstern gemacht wurde. Auch verfehlte Madame de Warens das Wesentliche ihrer Absicht; sie lehrte ihn nur die Form des höchsten sinnlichen Vergnügens kennen; ihn das wahre Gefühl desselben zu geben, war späterhin der Madame de Larnage vorbehalten, und genau genommen ist es diese, welche zuerst den Neuling in die Mysterien der Wollust eingeführt hat.

Ohnehin war R. damahls durch seine schönen Schülerinnen in Chambery zu sehr zerstreut, seine Eitelkeit fand bey ihnen zu viel Nahrung, als daß er einen Genuß, den er außerdem mit Claude Anet theilte, sehr hoch hätte schätzen können. Fünf Jahre früher würde er einen ganz andern Eindruck auf ihn gemacht haben.

In der Folge kam R. gegen Madame de Warens in diejenige Stimmung, welche er im Emil l’affection naturelle de l’homme pour sa compagne nennt. Er lebte ganz behaglich mit ihr im Genuß ihrer wechselseitigen Vertraulichkeit. Leidenschaftlich war dieß Verhältniß durchaus nicht, und man darf sagen, es war nicht einmahl zärtlich. Wie kalt sind die Briefe, die er nach einer kurzen Abwesenheit von Besançon an sie schrieb! Er will nur dann zu ihr wiederkehren, wenn er sicher seyn kann, in der Stadt Chambery eine gute Aufnahme zu finden.

Seine Unzufriedenheit nach seiner Zurückkunft enthält eine Menge von Beweisen, daß der Umgang mit seiner Freundin ihn vor der Furcht einer bedrängten ökonomischen Lage nicht bewahren, und für die Versagungen seines Ehrgeitzes nicht schadlos halten konnte,