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einflößte, war nicht von langer Dauer. Als sie ihm Aussichten zu seinem weiteren Fortkommen in Turin eröffnete; wie gern verließ er sie: wie bald war sie über andere Weiber dort vergessen!

Nach seiner Wiederkunft gerieth er wirklich in eine Art von leidenschaftlicher Spannung, welche zu interessant zu meinem Zwecke ist, als daß ich sie nicht etwas näher auseinander setzen sollte:

„Dasjenige, was ich für Madame de Warens empfand, sagt er, war nicht Liebe. Wer nur diese fühlt, empfindet noch nicht den süßesten Genuß des Lebens! Ich kenne ein anderes Gefühl, das vielleicht weniger heftig, aber tausendmahl köstlicher, oft mit der Liebe verbunden, und oft davon getrennt ist. Dieß Gefühl ist nicht bloße Freundschaft: es ist wollüstiger, zärtlicher. Ich glaube nicht, daß es eine Person unsers Geschlechts uns einflößen könne!“

Roußeau gesteht selbst, dieß sey nicht klar; aber in der Folge, wenn er die Wirkungen dieser Liebe beschreiben würde, werde es deutlicher werden. Wir müssen also die Wirkungen kurz anführen.

Er behauptet bey der Vergleichung seines nachherigen Aufenthalts bey Madame de Warens zu Chambery mit dem früheren zu Amecy, er sey an dem letzten Orte in einer wollüstigen Trunkenheit gewesen. Und so war er wirklich. Bey den kleinsten Abwesenheiten von ihr, bey jeder Störung in dem unbefangenen Zusammenseyn mit ihr, gerieth er in die lebhafteste Unruhe, fühlte das heftigste Nachsehnen nach ihr hin, eine unbestimmte Traurigkeit, und den lebhaftesten Vereinigungstrieb mit allem, was der Freundin nur von fern angehörte.