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unversehrt läßt, so werden ihn die Zungen der Lästerer zerreißen.

Sadi hat in seiner Jugend ein Mädchen mit wahrer Liebe geliebt. Seine Schönheit war für ihn wie die Morgengegend, zu der man sich beym Gebete wendet, und die Unterredung mit der Geliebten machte den ganzen Gewinn seines Lebens aus. Engel können vielleicht schöner seyn, aber Menschen sind es nicht. Keiner wird ihr gleich geboren. Die Liebe, die er für sie empfunden hat, macht ihn unfähig, eine ähnliche für andere zu empfinden. Sie starb! Mehrere Tage brachte er klagend auf ihrem Grabe zu. Von dieser Zeit an floh er den Umgang mit der Jugend, und krümmte sich in seinem Schmerze wie eine verwundete Schlange.

Einem arabischen Könige wird hinterbracht, daß Megnun alle Geschäfte vernachlässigt, seine Talente ruhen läßt, und nur für Liebe lebt. Er macht ihm darüber Vorwürfe. Ach! sagt Megnun, du solltest meine Leileh sehen! Der König läßt sie kommen, findet aber in ihr nur eine ganz gewöhnliche Gestalt. Er schweigt. Megnun erräth ihn. Ach! spricht er, du müßtest mit Megnun’s Augen sehen!

Ein Jüngling von guten Sitten liebte ein ehrliches und schönes Mädchen mit keuscher Liebe. Sie fuhren übers Meer, und litten Schiffbruch. Ein Schiffer wollte den Jüngling retten. Aber dieser bat ihn, seine Geliebte aus dem Wasser zu ziehen, und sank unter. Der Kommentator führt in den Noten an, daß ein Jüngling in Balsora sich von einem Thurme herabgestürzt, und vorher gerufen habe: „Liebe wird erst durch den Tod versiegelt!“