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allgemein empfunden. Dieß lassen schon die sehr verschiedenen Grundsätze in der Denkungsart über Liebe und Weiber, die wir bey Philosophen, Dichtern und Romanenschreibern antreffen, vermuthen. Die Geschichte lehrt uns aber auch, daß zu den nehmlichen Zeiten, worin so viel zu Ehren der Damen geschah, die ausschweifendsten Sitten herrschten, und das schwächere Geschlecht auf mancherley Art bedrückt wurde. Wenn man behauptet, daß jeder Ritter eine Dame seiner Gedanken gewählt habe, der er, gleich dem höchsten Wesen, alle seine Gefühle, alle seine Handlungen zum Opfer darbrachte, so ist dieß eine Uebertreibung, der kein Kenner des Menschen und der Geschichte Glauben beymessen wird. [1]


  1. Merkwürdig ist die Anekdote eines deutschen Ritters von großem Nahmen und ausgebreitetem Rufe, Reinharts von Westerburg. Er war beständig im Gefolge des Kaysers Ludwigs des Bayern, und zeichnete sich zu gleicher Zeit durch seine Ritterthaten und seine Gedichte aus. Als er einst nach einer Niederlage der Bürger zu Koblenz mit dem Kayser ritt, machte er folgende Verse:

    Ich dürfte den Hals mir brechen, wer rächet mir den Schaden dann?
    So hätt ich niemand der mich räche, ich bin ein ungefreundter Mann.
    Auf ihr (der Weiber) Gnad’ acht’ ich kleine Sach,
    Das laß ich sie verstahn, u. s. w.

    Erst als er auf Befehl des Kaysers das Gedicht „zu Ehren der Frauen“ bessern mußte, sang er:

    In Jammers Nöthen ich gar verbrinn
    Durch ein Weib so minniglichen, u. s. w.

    worauf der Kayser sagte: Westerburg hat es wohl gebessert. S. Klübers Uebersetzung des St. Palaye Th. 2. S. 58.