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von dem Genusse des Geistigen, und von Tugend, Edelsinn und Schönheit sehr von einander abweichend.

Plato’s Liebhaber strebt nach Annäherung an den geliebten Gegenstand, um mit ihm gemeinschaftlich nach Bürgertugend zu ringen, sich dadurch über eine niedere Sinnlichkeit zu erheben, und mittelst dieser Vorbereitung der Wiedererlangung des verlornen Platzes in der Oberwelt würdig zu werden. Von der Ahnung einer schönen Seele aus einem schönen Körper ist dem Plato nichts bekannt, noch weniger sucht der Liebhaber, den er darstellt, seinen Liebling unter idealischen Gestalten zu sehen, sich Träume von ihren glücklichen Verhältnissen zu bilden, und überhaupt Genuß aus einer unglücklichen Liebe zu ziehen. Am wenigsten denkt er an die religiösen Ideen der neueren Zeit, den Werkmeister in seinem schönsten Werke zu bewundern, und in den Sitten seines Lieblings ein Bild des himmlischen Lebens zu finden. Ja! das ganze Verhältniß, welches zwischen dem griechischen Liebhaber und seinem jüngeren Lieblinge Statt fand, ließ die Ideen der neueren Galanterie, die Niederwürfigkeit vor seinen höhern Verdiensten, der Ausgleichung seines Werthes und Rufs, überall nicht zu.

Beym Petrarka ist die edlere Liebe ganz auf das Verhältniß eines unglücklichen Liebhabers zu einer Dame, die an Stand und innerer Würde über ihn erhaben ist, berechnet. Nach ihm beruht jede zärtliche aber leidenschaftliche Anhänglichkeit an einer Person von verschiedenem Geschlechte auf der Begierde, wieder geliebt zu werden, und durch den Besitz ihres Herzens zugleich einen Anspruch auf Alles zu erhalten, was Seele und Körper in der engsten Verbindung sich einander geben