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Aus diesen Zügen läßt sich die Natur des Verhältnisses erklären, worin Petrarka mit Lauren stand. Es war nicht Liebe: es war begeisterte Empfindsamkeit, die sie ihm einflößte. Er strebte, seine Phantasie mit einem Ideale zu täuschen, wozu ihm Laura bloß den Stoff hergegeben hatte, theils um in dem Zustande der Spannung seiner edelsten Kräfte zu schwelgen, theils um den Stolz zu nähren, sich selbst so außerordentlich liebend zu fühlen, und seine Ruhmsucht zu befriedigen, von Andern für den lieblichsten Sänger der Liebe gehalten zu werden. Laura’s Bild in der idealisierten Gestalt, die er ihm gegeben hatte, fing am Ende an, ihn völlig zu besitzen. Aber mehr aus einem angewohnten Bedürfnisse, als aus anhaltender Leidenschaft. Diese hat nun wohl Petrarka überhaupt für Laurens Person nicht empfunden: und wenn gleich einzelne leidenschaftliche Aufwallungen darauf schließen lassen; so bemerkt man doch im Ganzen eine Nüchternheit des Herzens, welche die Oberherrschaft des Triebes, seinem Kopfe eine angenehme Unterhaltung zu verschaffen, über die sympathetischen Neigungen deutlich zu erkennen giebt.

Mit einem Worte: Petrarka’s Liebe zu Lauren war eine angewöhnte begeisterte Empfindsamkeit, vermöge deren er das Bild ihrer Person und seines Zustandes im Verhältnisse zu ihr zu idealisieren, und dadurch die Vorstellung von seinem Selbst zu verschönern suchte.

Nur dadurch wird es begreiflich, wie Petrarka den größten Theil seines Lebens in einer Stimmung habe zubringen können, die, wenn sie Folge einer Leidenschaft nach Vereinigung der Personen gewesen