Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung | |
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letzte wirkt durch den ersten. Der ganze Mensch äußert Affekte, nicht bloß die Seele. Durch die Sinne, durch das Auge schleicht sich die Liebe bey uns ein. Wer daher ein schönes Weib liebt, irrt sehr, wenn er nur die Seele zu lieben glaubt. Aber wer nur den Körper genießen will, der hat einen völlig irrigen Begriff von der Liebe. Kurz! wer wahrhaft liebt, muß nothwendig Körper und Seele zugleich lieben. Beydes läßt sich nicht von einander trennen. Die Sinne des Liebhabers verlangen von dem geliebten Körper sinnliches Vergnügen, seine Seele von der Seele der Geliebten Gegenliebe, um den Sinnengenuß angenehm zu machen. Also ist Sinnengenuß, durch Gegenliebe dargeboten, wahrer endlicher Zweck der Liebe, die dann auch nicht abnimmt, wenn der Liebhaber gleich mit jenem begünstigt wird. Um diese Liebe zu veredeln, muß man sich an vornehme Damen halten, weil diese den Mann anfeuern, durch ausgezeichnete Vorzüge die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich der Vereinigung entgegensetzen. Die Damen müssen ihrer Seits behutsam in der Wahl ihrer Liebhaber seyn, und nicht zu viel und zu leicht gewähren. Zuletzt ermahnt er zur Liebe Gottes, als zu demjenigen Wesen, das am würdigsten ist geliebt zu werden, und bey dem wir am sichersten auf Gegenliebe rechnen können.“
In diesem Systeme wird also nicht bloß die Liebe zum Geschlecht, sondern sogar die sinnliche Liebe unter gewissen Bestimmungen in Schutz genommen. Eben diese Ansicht finden wir von nun an ziemlich allgemein ausgebreitet, nur daß der ganz geistigen Liebe der Vorzug eingeräumt wird.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.2.djvu/178&oldid=- (Version vom 1.8.2018)