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Aber wenn ihr Charakter, ihr Verstand, ihre Aufführung euch mißfällt, so verlaßt sie, u. s. w.“

Bey den Deutschen ist der nehmliche Geist sichtbar, den wir bey den Provenzalen finden, deren Dichter höchst wahrscheinlich auf den Geschmack unserer Minnesinger Einfluß gehabt haben. [1]

Wir finden auch hier Spuren jener uneigennützigen Denkungsart, die sich auf einen geistigen Genuß beschränkte. Bodmer [2] hat mehrere Beyspiele davon zusammengestellt, die aber dasjenige, was er daraus folgert, nehmlich willkührliche Bezähmung der Begierden, um des Stolzes der Selbstbeherrschung willen, [3] nicht beweisen.

König Wenzel von Böheim sagt zwar: [4] „Die Minne darf auf mich stolz seyn. Ich hatte sie umfangen, und küßte ihre klaren, zarten, süßen Lippen. Aber mein Wille lehnte sich nicht wider ihre Keuschheit auf, obgleich das vielgeliebte Weib mein Herz mit ganzer Liebe eingenommen hatte. Mein Wille war den Augen und dem Herzen leid. Mein Leib zürnte, daß ich den Genuß der Liebe mied. Dieß machte die Vollkommenheit meiner Liebe, und ihre keusche Vortrefflichkeit. Nun habe Dank, der seine Dame, (Frowe) so pflegt, wie ich der reinen sanften Frucht. Ich brach die Rose nicht, und hatte sie doch in meiner Gewalt u. s. w.


  1. Bodmers neue kritische Briefe. Zürich 1763. 13ter und 14ter Brief.
  2. In den eben angeführten neuen kritischen Briefen. S. 381.
  3. Er nennt es Meisterschaft über die Gedanken.
  4. Nach dem Originale in Gleims Gedichten nach den Minnesingern. Berlin 1773.