Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
|
leidenschaftliche Streben nach dem Besitz einer Person von verschiedenem Geschlechte, das uns zu Aufopferungen der gröberen Selbstheit auffordert, Liebe genannt. Bald hat man diesen Nahmen auf jede treue und dauernde Anhänglichkeit der Gatten an einander ausgedehnt; wenn gleich nur lange Gewohnheit, Erwägung des wechselseitigen Vortheils, den sie aus ihrer Verbindung zogen, und gemeinschaftliche Kinder den Bund befestigten. Endlich hat man oft diejenige Begeisterung für Liebe gehalten, zu der uns das Bild eines Wesens entflammt, wenn durch die Beschauung seiner wahren oder eingebildeten Vollkommenheit die Kräfte unsers Geistes erhöhet werden.
Das Gemeinsame in diesen verschiedenen Begriffen ist unverkennbar. Es ist die Aufopferung der gröberen, ausschließenden und zerstörenden Selbstheit, für eine feinere gesellige, bey demjenigen, der die Stimmung empfindet; es sind die wohlthätigen Folgen für den Gegenstand, mit dem wir vermöge jener Stimmung in ein engeres Verhältniß
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)