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die sie uns von diesen liefern, zeigen sich manche Spuren der Denkungsart ihres Zeitalters.

Zwey merkwürdige Erscheinungen verdanken wir dieser Periode: den Liebesbrief und die Liebesgeschichte, beyde in Prosa. In der ersten Gattung haben sich Philostrat, Alciphron und Aristänet ausgezeichnet. Ungeachtet ihrer Vorliebe für das Alterthum brechen doch die Sitten ihrer Zeit an unzähligen Stellen durch. Einige der Hauptideen, besonders die, daß die Entbehrung des unnennbaren Genusses die Begeisterung erhöhe, und die Verbindung dauerhafter mache; ferner die Sprache frostiger Schmeicheley, werden hier beynahe in der nehmlichen Gestalt wie im Mittelalter angetroffen.

Die griechischen Romane lassen sich auf drey Gattungen bringen. Die erste enthält wunderbare Geschichten der Standhaftigkeit und Treue bereits vermählter Liebenden. Die Charaktere dieser Personen sind thätig und einwirkend auf ihr Schicksal. Der Styl nähert sich dem Ernst der Geschichte. Sie sind wahrscheinlich Trauerspielen oder Pantomimen nachgebildet. Hieher gehören die Werke des Jamblichius, Chariton und Xenophon Ephesius.

Die zweyte Gattung setzt das Ziel der Intrigue in die Lösung des jungfräulichen Gürtels unter Sanktion der Gesetze, und das Interesse beruht auf der Ueberwindung der Schwierigkeiten, die sich der Ehe widersetzen. Die Idee, daß der Stand des Strebens und der Bewerbung glücklicher sey, als der des Besitzes, liegt dabey zum Grunde. Die Schwierigkeiten liegen aber nicht in dem Innern der handelnden Personen, sondern bloß in äußern Verhältnissen.