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Sitte band das Frauenzimmer zu den Zeiten vor der Zerstörung von Karthago an die nehmliche Eingezogenheit und Absonderung von dem Manne, wie in Griechenland zu den Zeiten des Flors der dortigen Freystaaten. Nachher erhielten die Römerinnen mehr gesellige Freyheit, doch ist die Unbefangenheit des Umgangs zwischen beyden Geschlechtern nie bis zu dem Grade gestiegen, welche ihm diejenigen Länder gegeben haben, die den Sitten des ehmahligen französischen Hofes huldigen. Die Liebe zu den Lieblingen hat in Rom nie das Ansehn einer republikanischen Leidenschaft erhalten können. Unter edlerer und schönerer Liebe zu dem Frauenzimmer hat die gute Sitte eine sinnliche Leidenschaft verstanden, die zu großen Aufopferungen des einsamen Lebens für das Glück des Zusammenlebens aufforderte, und dieses Glück durch Feinheit und Fülle des Gefühls und des Witzes zu würzen wußte. Die Edelsten im Volke haben dieser Liebe wenig Werth beygelegt.

Das Wichtigste was uns der Römer in Rücksicht auf den Gegenstand unserer Untersuchung liefert, ist der Geist der Liebesverständnisse und ihrer Behandlung nach der Darstellung der Elegiker. Dieser Geist scheint gutentheils echt römisch zu seyn, und hat höchst wahrscheinlich nach einem Jahrtausend den Geist der Galanterie des Mittelalters erweckt.

Der römische Elegiker schildert arme aber talentvolle Liebhaber, die um die Gunst leichtfertiger Weiber buhlen, die gemeiniglich an Freygelassene verheirathet, oder von reichern Wollüstlingen unterhalten sind. Die Geliebten, wenig bekümmert um ihren Ruff, hängen desto mehr von der Furcht vor der Wachsamkeit ihrer Hüter, von ihren Launen, und ihrer Habsucht