Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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möglich ist, daß es der einzelne Bürger seyn kann, und wie es zu wünschen wäre, daß alle dortige Bürger es seyn möchten. Beym Plato ist er ein Kosmopolit, der nach Wiedervereinigung mit einer außer den Grenzen der Welt wohnenden Urschönheit strebt, und darum ein guter Bürger in Athen ist, weil der vollkommene Mann in allen seinen Verhältnissen den Gesetzen der ewigen Harmonie huldigt. Xenophon zeigt sich überall als einen hellen Kopf, der den Menschen im Ganzen kennt, und gesunde Vernunft mit Biederkeit des Herzens verbindet. Plato blickt viel tiefer in den einzelnen, außerordentlichen Menschen, erkennt besser, was dieser in seiner höchsten Veredlung vermöchte, und hat überhaupt viel mehr Phantasie und Abstraktionsgabe.
Unläugbar haben Beyde den Sokrates zum Muster der Nachahmung, als Ideal eines vollkommenen Mannes darstellen wollen. Plato ist darin dem Originale weniger treu geblieben als Xenophon; aber auch er hat gewisse Grundzüge in dem Charakter und einige Maximen beybehalten, die dem wahren Sokrates unstreitig eigen gewesen seyn müssen.
Dahin rechne ich in Rücksicht auf die Verbindungen mit Jünglingen seine Festigkeit gegen die Anfälle unreiner Begierden. Er scheint für seine Person völlig davon frey gewesen zu seyn. Er scheint aber auch bey seinen Schülern die Sitte der Athenienser, wornach eine engere Verbindung zwischen Jünglingen, die nicht frey von der Mitwirkung gröberer Begierden war, um mancher heilsamen Folgen für den Staat aber Nachsicht fand, zur Ausbildung
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/227&oldid=- (Version vom 1.8.2018)