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gelegt. [1] Unstreitig wußte sie diesen Vorzug zu schätzen; aber sie setzte eine viel geringere Wichtigkeit auf den Mangel desselben bey dem großen Haufen, und fand es auf der andern Seite viel außerordentlicher, wenn der einzelne Mann eine Mäßigkeit und Enthaltsamkeit in diesem Stücke zeigte, die von der Menge, selbst unter der guten Gesellschaft, nicht erwartet werden konnte. Der Athenienser dachte über die Keuschheit des Mannes wie unsere Vorfahren über die Trunkfälligkeit. Diese letzten fühlten wohl, daß Mäßigkeit ein Vorzug, und Trunkenheit ein Fehler sey; aber sie sahen jene als eine Vortrefflichkeit an, die dem großen Haufen nicht angemuthet werden könnte, und fanden etwas Außerordentliches in dem Manne, der von einer so gemeinen Schwäche frey war. Wir finden heut zu Tage dieß Außerordentliche weder in dem mäßigen Trinker, noch in demjenigen, der die Triebe der Geschlechtssympathie vor unerlaubter Ausgelassenheit zu bewahren weiß, und bey uns trifft den Uebertreter des Anstandes und der Sittlichkeit in beyden Punkten eine viel schärfere und viel ausgebreitetere Rüge.


Drittes Kapitel.
Fortsetzung.

Der wohlerzogene Athenienser billigte folglich die Ausschweifungen der körperlichen Geschlechtssympathie keinesweges; selbst diejenigen, welche wechselseitige Zuneigung herbeyführte, hatten keinen unbedingten Anspruch auf seinen Beyfall; er hielt es weder für schön, noch für edel, den Begierden auf solche Art zu huldigen: es war


  1. S. besonders die eben citierte Stelle beym Plato de Legg. VIII. p. 836.