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Um dieß erklärbar zu finden, muß man sich an dasjenige erinnern, was ich oben [1] von den Begriffen der Athenienser über Tugend und Vortrefflichkeit gesagt habe. Nur diejenigen Schwächen und Laster, die mit den Pflichten des Bürgers gegen den Staat im unmittelbaren Widerspruche standen, waren ein Gegenstand des Verbots und der Strafe der Gesetze. Ein Archont, der im Rausche mit den Zeichen seiner Würde erschien, sollte diese Vernachlässigung des Anstandes, die der Führung öffentlicher Angelegenheiten nachtheilig werden konnte, mit dem Tode büßen. Ein Bürger, dessen Sitten so verdorben waren, daß er die Rüge der öffentlichen Meinung auf sich zog, verlor die Rechte des aktiven Bürgers. Aber die Ausgelassenheit der körperlichen Geschlechtssympathie, die kein Aufsehn machte, und die Rechte des Eigenthums und der Freyheit des Bürgers nicht kränkte, ward wie die Stillung eines physischen Bedürfnisses, als eine Quelle sinnlicher Freuden angesehen, die an sich eben so gleichgültig sey, als jeder andere wollüstige Reitz für die übrigen Sinne.

In dieser Nachsicht kam denn die gute Sitte mit dem Gesetze ziemlich überein. Es ist der Mühe werth, die Schauspiele des Aristophanes durchzublättern. Welcher Schmutz! Welche Beleidigung aller Schamhaftigkeit! Es ist gewiß, daß selbst der niedrigste Pöbel bey uns die Vorstellungen dieser Schauspiele mit Steinwürfen würde unterbrochen haben. So häufig sind darin die Anspielungen auf Lüste, an die wir ohne Abscheu nicht erinnert werden können. Nach den Mythen war den Göttern selbst eine völlige Ausgelassenheit der Begierden eigen. Die Tragiker spielten ungescheut in ihren Schauspielen auf


  1. Vierzehntes Buch Kap. I.