Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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Völkern sind sie durch Gesetze verboten, und mit bürgerlichen Strafen belegt worden.
Kein einziger glaubwürdiger Schriftsteller führt ein ausdrückliches Gesetz an, wornach in Athen die Ausgelassenheit der körperlichen Geschlechtssympathie unter Männern, und noch viel weniger unter Weibern geradezu verbothen gewesen wäre. [1] Es wird vielmehr aus einem Gesetze des Solon, welches den Sklaven die Männerliebe verwehrt, ziemlich wahrscheinlich, daß der Gesetzgeber freyen Menschen die Sorge für ihre Sittsamkeit selbst überlassen habe. Die Verordnungen, die er und seine Nachfolger über diesen Punkt gemacht haben, suchen nur der Verführung, der Gewalt, und der schnöden Gewinnsucht vorzubeugen. Sie suchen die Begierden durch Entfernung äußerer Bewegungsgründe zu zügeln, aber sie verdammen nicht den Reitz, den der Mensch in seinen Trieben selbst fand, und diejenige Befriedigung derselben, die aus freyer Willkühr beyder interessierter Personen gewährt wurde. Ein Mann, der sich in die Gymnasien der unverdorbenen Jugend einschlich, um diese zu verführen, war des Todes schuldig. Wer sich für Geld ergab, verlor alle Rechte des Bürgers, und harte Strafen erwarteten denjenigen, der Personen, die in seiner Gewalt waren, andern zum Mißbrauche überließ, oder durch Raub oder Verführung junge Männer um ihre Unschuld brachte. [2] Also nicht die Sache selbst, sondern nur die Art, wie sie geschah, war ein Gegenstand der atheniensischen Gesetzgebung.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/139&oldid=- (Version vom 1.8.2018)