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lassen, bestimmte Begriffe über unsere geselligen Triebe, über Geschlechtssympathie und Geschlechtsliebe festzusetzen. Alsdann würde es leichter zu entscheiden gewesen seyn, ob die Liebe in der veredelten Bildung, welche ihr die Athenienser und besonders die Sokratische Schule gegeben haben, begeisterte Beschauungswonne oder wahre Zärtlichkeit, Freundschaft oder Geschlechtsliebe, und letztere wieder völlig rein von dem Einflusse körperlicher Geschlechtssympathie gewesen sey, oder nicht?

Diese Hindernisse glaube ich durch meine vorangegangenen Untersuchungen aus dem Wege geräumt zu haben. Und, ohne Anmaßung sey es gesagt, nach einer vieljährigen und oft wiederholten Prüfung glaube ich in der Sache selbst wenig Schwierigkeiten zu finden, um in den Geist dieser griechischen Liebe einzudringen. Aber indem ich ihren Begriff dem Publiko vorlegen soll, erhebt sich aus der Lage, worin ich zu meinen Zeitgenossen stehe, allerdings eine erhebliche Bedenklichkeit, über die ein zärter fühlendes Herz sich nicht so leicht hinauszusetzen weiß! Die veredelte Liebe der Athenienser zeigte sich in Verbindungen zwischen Männern auf eine Weise, die in unser Klima, zu unserer Organisation, zu unsern Sitten und zu unserer Staatsverfassung keinesweges paßt. Es ist unmöglich, auch nur daran zu erinnern, ohne unsere Begriffe über den Anstand beleidigend zu streifen.

Käme es hier bloß auf Befriedigung der Neugierde an, so würde ich schweigen. Aber es gilt mehr: es gilt Wahrheit, es gilt das Glück vieler Menschen. Die Lehren des Plato, so halb verstanden sie immer seyn mögen, sind von den spätern Jahrhunderten aufgenommen, und modificieren noch heut zu Tage unsere Begriffe über eine ganz andere Art von Liebe, über die Liebe zu den Weibern,