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und zwischen Eltern und Kindern beruht, als das ich im Allgemeinen dazu rathen könnte. [1]

Inzwischen führt mich doch jene Erfahrung auf die Maxime, den Genuß des häuslichen Zusammenlebens und der Absonderung von aller andern Gesellschaft mit weiser Oekonomie einzunehmen, damit sich die Liebenden nicht zu gewöhnlich werden.

Junge Personen, die nach Ueberwindung einiger Hindernisse, welche sich ihrer Verbindung entgegensetzten, vereinigt werden, pflegen sich, verführt durch den Wahn, als wenn sie sich nun ganz allein genug waren, in die Einsamkeit zurückzuziehen, und ohne Unterlaß bey einander zu seyn. Dieser süße Genuß dauert nur eine Zeitlang. Man verliert sehr bald das Gefühl, daß die Person, mit der wir nach Vereinigung streben, ein selbständiges Wesen für sich sey. Wir betrachten sie bald als ein uns zugeeignetes Gut, und mit der Sicherheit des Besitzes geht das Streben der Zärtlichkeit verloren. Man wird sich einander gewöhnlich: man fühlt wieder das Bedürfniß, sich an etwas zu hängen, was von uns getrennt sey: man sucht sich von dem beständigen Begleiter zu isolieren, und das Gefühl, ihn nicht los werden zu können macht ihn unerträglich. Schon an sich gehört die Macht, zuweilen einsam seyn zu können, zu dem Gefühle der Freyheit, das kein Mensch ungestraft auf die Länge aufopfert. Außerdem ist es unmöglich, bey einem solchen ungetrennten Zusammenleben nicht manche Schwäche zu zeigen, welche die Achtung, die so wichtig zur Dauer der


  1. In einzelnen Fällen dürfte gewissen Charakteren dennoch diese Einrichtung anzurathen seyn.