Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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erfüllen, und ihre Gestalt zu verschönern. Daß diese Bemühung nicht in Steifigkeit ausarte, nicht das Gefühl der Behaglichkeit beym traulichen Zusammenseyn störe, dafür sichern die fremden Geschäfte, welche den Uebermuth des Geistes zügeln; dafür sichert ein tiefgerührtes Herz!
Neuheit ist eines der wirksamsten Mittel, wodurch die Sinnlichkeit des Menschen gereitzt wird. Auf dieser Erfahrung, verbunden mit jener, daß das Bedürfniß jeden Genuß würzt, beruht die Richtigkeit der Maxime: entbehre und genieße!
Ich habe oft bemerkt, daß Verbindungen zwischen ehelosen Personen, die nicht bey einander wohnen, und sich wenigstens durch den Anstand in ihrer Neigung, sich täglich und stündlich zu sehen, beschränkt fühlen, länger von warmer, mit leidenschaftlichen Aufwallungen verbundener Zärtlichkeit beseelt werden, als Ehen, die den Verbündeten das Recht geben, ganz mit einander zu leben. Ich habe daraus geschlossen, daß es vielleicht nützlich seyn könnte, wenn in den höheren Ständen die Gatten verschiedene Häuser bewohnten, und zwey Haushaltungen ausmachten. Allein eine solche Einrichtung streitet zu sehr mit der Natur der Geschlechtssympathie, und mit unsern bürgerlichen Einrichtungen, hindert überher zu sehr die Angewöhnung, auf welcher die Anhänglichkeit der Gatten unter einander,
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/357&oldid=- (Version vom 1.8.2018)