Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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Nein! derjenige allein verkündigt den wahren Ruhm seiner Geliebten durch seinen eigenen, der den Ruf eines Charakters gründet, der durch Liebe zu einem edeln Gegenstande ganz veredelt ist.
Man lieset einen Zug in den Romanen der Asträa von d’Urfé, der mir vortrefflich zu seyn scheint. Zwey Nymphen finden den Leichnam eines Schäfers von ihrer Bekanntschaft. Sie treffen Briefe bey ihm an, die von Liebe athmen. Wie, fragt die eine, dieser Schäfer liebte? Das habe ich nicht bemerkt. Wie konnte Ihnen das entgehen? sagt die andere: er war ein so rechtschaffener Mann!
O ihr, die ihr dem Ruhme nachstrebt, wodurch ein edles Herz gewonnen werden mag! daß man von euch sage: er ist ein so würdiger Mann, er hängt an einem so würdigen Weibe!
Weiber, die ihr dieses leset, sagt, ist nicht das Bild eines Mannes in eurer Phantasie entstanden, dem ihr, unabhängig von aller weitern Rücksicht, ob es eurem Anbeter gleiche, ob sein Original in der Natur neben euch existiere, euren Beyfall, eure Bewunderung nicht versagen könnt! dem ihr eine allgemeine Würdigkeit, von jedem Weibe geliebt zu werden, zutrauet? Ich darf es hoffen! Und glaubt es mir, wenn ein solcher Mann nun wirklich neben euch existierte, und euch anbetete, so
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/256&oldid=- (Version vom 1.8.2018)