Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/254

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

anhaltende und feine Aufmerksamkeit auf das Wohl der Geliebten hervorscheint; jene Aufforderung der Geliebten zu allem was gut und schön ist, durch unser Beyspiel, durch unsern Rath, durch unsern Beystand; – das sind die Gaben, das sind die Geschenke, die ein edles Herz am sichersten rühren, die so schwer zu geben sind, und woran der Arme oft vermögsamer ist als der Reiche.

Glücklich derjenige, der, noch ehe er auf den Nahmen des beglückten Liebhabers Anspruch machen darf, der Geliebten einen Trauten, einen Bruder in seiner Person darstellen kann, dessen sicherer Umgang, dessen Rechtschaffenheit, Billigkeit, Einsicht, ihr Trost, Rath, Leitung und Stütze gewähren! Welch ein edles Geschenk macht er ihr mit seiner Person! Ein Geschenk, das länger dauert als seine Leidenschaft währt, und ihr auch dann, wenn diese, unter verlorner Hoffnung ihr Herz zu gewinnen, verschwunden ist, noch immer den Mann sichert, der ihrer Achtung und ihres Vertrauens werth ist!

So giebt die Liebe edel! Sie giebt schön, wenn die Form der Einkleidung die Gabe schmückt. Man kann schön geben, ohne Wahrheit und ohne Adel. Aber das höchste Ideal einer Gabe ist das edle und schöne Opfer aus liebendem Herzen.

Rousseaus Freundin gab ihm den Rock, den sie selbst getragen hatte, um sich ein Leibchen daraus machen zu lassen. So giebt wahre Liebe! Sie lehrt die feinen Beziehungen zwischen demjenigen, was uns persönlich war, und andern persönlich werden soll. Aber in der Gabe lag nichts, was den Sinn des Edeln oder des Schönen verrathen hätte.