Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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den Beweis der Feinheit des Liebhabers mit sich führt. [1]
Zwar wird derjenige, dessen Herz stark gerührt ist, seine Kunst mit minderer Freyheit und Unbefangenheit des Geistes ausüben können, als derjenige, der sich ganz in seiner Gewalt hat. Aber von Jugend auf an Wohlgezogenheit gewöhnt, durch eigenes Nachdenken und überlegte Uebung ausgebildet, wird er in der Anwendung seines Talents nie ganz gehindert werden. Er wird so urban bleiben, als die Liebe es zu seyn gestattet, und die Geliebte wird ihm den Abfall, den er durch die Schüchternheit und Verlegenheit der Leidenschaft leidet, selbst noch als einen Vorzug anzurechnen wissen.
Eben so wichtig als die Urbanität ist die Gabe der geselligen Unterhaltung, um sich bey dem Frauenzimmer beliebt zu machen; jene Gabe, in geselligen Zirkeln, worin Menschen von verschiedenen
- ↑ Eben darum, weil die Urbanität der Liebe so oft zum Schleyer dient, ist es von jeher schwer gewesen, den Ausdruck beyder zu unterscheiden, und nicht zärtlich zu werden, indem man bloß höflich seyn will. Das, was man Galanterie nennt, fällt oft in diesen Fehler, und Lessing hatte daher Recht, zu sagen: in ihr klingt Alles wie nichts, und nichts wie Alles. Aber eine solche Galanterie ist ein verfehlter Ton in der Urbanität gegen das Frauenzimmer.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/231&oldid=- (Version vom 1.8.2018)