Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil | |
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Wonne, sondern zum Widerwillen reitzen wird. Sieh, es giebt wohlerzogene Menschen, deren jungfräulicher Geschmack auch ohne besondere Anleitung zur Kenntniß dieser oder jener schönen Kunst, in jeder das wahre Schöne von dem Häßlichen, was die Mode in Schutz nimmt, unterscheidet! So hängt unser höherer und niederer Anschauungssinn von unserm Verstande und unserer Vernunft ab, wenn wir gleich in dem Augenblicke der Beschauungswonne uns ihrer Leitung nicht bewußt sind. Der Mann von geprüftem Edelsinn, der Mann von gebildetem Geschmack kann nur dasjenige auf die Länge edel und schön finden, was in seinem Innern und Aeußeren mit den Gesetzen der Vernunft und des Verstandes übereinstimmt.
Herz und ästhetischer Sinn sind zureichend, um Adel und Schönheit der Liebe in andern zu empfinden und zu würdigen. Aber um sie an uns selbst zu zeigen, dazu bedarf es eines schaffenden Genius, oder mindestens des Talents.
Talent setzt die Gabe zum Voraus, die Verhältnisse erprobter Erfahrungen zu neuen Aufgaben leicht zu fassen; es setzt Anlagen unserer Kräfte zum Voraus, die Richtung, die wir ihnen haben geben wollen, nach einiger Aufmerksamkeit und Uebung instinktmäßig oder mechanisch zu befolgen: es setzt endlich, wenn es eine höhere Stufe erreicht, Scharfsinn und Erfindungskraft genug zum Voraus, um durch Combinationen der gegebenen
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Zweyter Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_2.djvu/166&oldid=- (Version vom 1.8.2018)