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welcher mit Hülfe der Phantasie und des Associationsvermögens Bilder von körperlicher Stärke, Abhärtung, Seelenhoheit, ruhiger Festigkeit und gebietendem Ansehn daraus abnimmt. Diese Bilder führen auf andere von Würde, Männlichkeit, hohem Stande und Reife des Alters, welche die Seele spannen oder stark reitzen. Alles dieß constituirt die ernste Schönheit, wie sie uns die Junonen, der Apollo, der Herkules, u. s. w. an den Statuen der Alten in der größten Vollkommenheit darstellen, und wie sie unter uns, wiewohl in mangelhafterer Maße, zuweilen angetroffen werden.

Schönheiten dieser Art werden, so lange sie als Schönheiten empfunden werden, beynahe gar nicht auf unsere übrigen Sinne, außer dem Auge, und am wenigsten auf unsere körperliche Geschlechtssympathie wirken. Daher die allgemeine Erfahrung, daß diese ernsteren Schönheiten auf ungebildete Menschen nur einen schwachen Eindruck machen, und daß die Achtung, welche der große Haufe ihnen zollt, weniger auf Wollust und Wonne, als auf Unterwerfung gegen das Urtheil der Kenner, und gegen den Ausspruch des gesellschaftlichen Tones beruht.

Schönheiten dieser Art lassen sich ihrer bloßen Zeichnung nach den Bildern der Wahrheit, Zweckmäßigkeit – der Regularität – genauer anpassen, als andere, und darum befriedigen sie ganz besonders das Bedürfniß der Seele, selbst an den bloßen Formen der Dinge die Gesetze ihrer Erkenntniß und ihres Wollens beobachtet zu sehen. Ernste Schönheiten erfüllen die Seele mit Bildern innerer Eigenschaften und äußerer Beschaffenheiten, die mit den Begriffen des Ausgezeichneten in bürgerlichen und sittlichen Verhältnissen zusammenhängen, und flößen ihr also eine Wonne ein, die sie der Befriedigung ihrer