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Es giebt zwey Arten dieser Verbindungen unter beyden Geschlechtern ohne Symptome des unnennbaren Triebes. Die erste beruht auf einem unwillkührlichen Schweigen der körperlichen Begierden nach der engsten Körpervereinigung; theils weil der Liebhaber zu unerfahren, theils weil die Seele zu sehr auf einen Genuß anderer Art aufmerksam und gespannt ist. So empfinden Neulinge sehr oft den heimlichen Einfluß des Körpers, ohne den endlichen Zweck dieser Bewegung zu ahnden. Der junge Rousseau fand sich eine Zeitlang in diesem Falle gegen die Frau von Warens, aus Unerfahrenheit. Hingegen empfand wahrscheinlich Winkelmann für seinen zartgebaueten Freund darum keine deutliche Regung des unnennbaren Triebes, weil seine Seele zu sehr mit dem Bilde seiner Schönheit beschäftigt war. In gleichen Lagen befanden sich, wie ich glaube, zuweilen die griechischen Weisen zu ihren schönen Zöglingen: und aus ähnlichen Gründen muß man es erklären, daß die heftigste Liebe fürs andere Geschlecht in der Zeit, worin sie nach dem Besitze des Herzens strebt, oft frey von Anfällen gröberer Begierden bleibt.

Die andere Art dieser Verbindungen ohne Symptome des unnennbaren Triebes zeigt sich da, wo wir die Begierde nach der engsten Körpervereinigung willkührlich zu unterdrücken suchen, weil ihre Befriedigung mit den Verhältnissen worin wir uns zu dem geliebten Gegenstande befinden, und mit seinem Glücke streiten. Wir wissen es: wir möchten den unnennbaren Trieb befriedigen, aber wir dürfen nicht; physische und moralische Hindernisse treten in den Weg: wir bekämpfen ihn also, und es gelingt uns zuweilen, ihn zu unterjochen. So können Liebende sich durch Entfernung von einander