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verlassen zu sehen, hängen gewiß nicht an der Person. Sie hängen an der Gattung. Jeder gerettete Kranke gehört ihnen auf gleiche Art an.

Auf der andern Seite ist es auch nicht genug, wenn das Bewußtseyn der befriedigten Selbstheit neben liebenden Affekten erweckt wird; man muß auch den Beschauungshang begünstigt fühlen, wenn die Anhänglichkeit an der Person wirklich liebend seyn soll. Ich muß fühlen, daß derjenige, an dem ich hänge, etwas an sich trage, das ihn als schön, als edel, als vollkommen, wenigstens als selten auszeichnet, und welches ich, wenn der Mensch mir bloß im Bilde erschiene, mit Wonne oder wenigstens mit Genügen anschauen möchte. Kurz, es muß etwas vorhanden seyn, das meine Aufmerksamkeit zuweilen darauf zurückführe: der Mensch, dessen Daseyn und Wohl dich mit Wonne erfüllt, ist nicht dein Selbst, ist nicht ein Mittel zur Verbesserung desselben. Es giebt Menschen genug, die sich wirklich stark an diejenigen anhängen, denen sie Gutes thun. Aber wenn diese letzten nichts als Gegenstände ihrer Wohlthätigkeit sind, wozu jeder andere Mensch eben so gut dienen könnte; so wird sehr bald das ganze eigennützige Bewußtseyn herrschend werden, daß die Person nur ein Mittel sey, unsere sympathetischen Triebe zu befriedigen, und Selbstheit wird auf Liebe geimpft werden.

Diese Bemerkungen liegen bey den Behauptungen zum Grunde, welche man sehr oft im gemeinen Leben hört: ohne Gegenliebe sey keine dauernde Liebe, ohne Achtung sey keine Liebe. Sie lassen sich schwerlich in der Maße rechtfertigen, wie sie da aufgestellt sind. Aber diese Wahrheit liegt unstreitig darin: daß ohne ein gewisses abgemessenes Verhältniß von befriedigter Selbstheit