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anhängt, wird nicht durch bloße Affekte des Beschauungshanges belebt. Er ist es, er selbst, der diese Werke so vollkommen fühlt als kein anderer, er selbst, der sie so lange studiert hat, er selbst, der ganz in ihren Geist eingedrungen ist. Und seine Phantasie belebt diese todten, in sein persönliches Interesse verwickelten Kunstschönheiten. Ihre Existenz, ihr Schicksal, ihr Wohlbestehen wird ihm theuer; das bessere Licht, in welches man sie stellt, die Sorge, welche man für ihre Erhaltung trägt, erfüllen ihn mit einer Wonne, welche derjenigen gleich kommt, mit der ein anderer das Wohlbefinden seines Freundes erfahren würde; ihr Leiden rührt ihn sympathetisch mit, und vielleicht würde er ihre Zertrümmerung nicht überleben.

Eben so verhält es sich mit der wirklich liebenden Anhänglichkeit! Der Gatte, der mit der größten Aufopferung das geliebte Weib zu beglücken sucht, macht doch zuweilen einen Halt in seinem liebenden Bestreben, um sich der Wonne zu überlassen, von andern so geehrt zu seyn in seiner Wahl, von ihr, der Geliebten, als Wohlthäter anerkannt zu werden. Er wird beym Schweigen der Begierden sich zuweilen in Beschauung derjenigen Vorzüge seiner Gattin verlieren, die er, unabhängig von aller Beziehung auf sein Verhältniß zu ihrer Person, an dem Bilde einer völlig Unbekannten bewundern würde.

Edler, verfeinerter, sittlicher Eigennutz; unsträfliche Wonne der Beschauung; mit der Liebe bestehend, Liebe verstärkend; aber doch von Liebe noch verschieden!

Ich sage mehr! Es sind nicht bloß Wonnegefühle, welche uns an die Person eines andern Menschen ketten. Oft trägt die Lust des Genügens am befriedigten Bedürfnisse dazu bey, die Bande zu verstärken; oft