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Der gemeine Soldat sieht seinen Ruhm und sein Wohl nur in dem seiner Landesleute. Sind sie unglücklich, so ist ihm sein Daseyn nichts mehr werth; sind sie glücklich, so will er sich mit ihnen erhalten. Wie verliert sich hier die Beachtung des persönlichen Zustandes so ganz unter der Aufmerksamkeit auf den Zustand der fremden Personen, die ihm zunächst stehen?

Diogenes opfert seinem geistigen Stolze alle Achtung auf, die er seinen Mitbürgern schuldig ist; er nutzt vielmehr ihr Mißfallen an ihm, das Gefühl seiner Unabhängigkeit zu erhöhen. Bezieht er nicht offenbar die Begünstigung seiner herrschenden Leidenschaft auf das Wohl seiner Person, und vernachläßigt dagegen das Wohl seiner Nebenmenschen? Aristides hingegen achtet nur auf dieß: er vergißt was das Wohl seiner eigenen Person erheischt. Zwar kann man auch hier einen geistigen Stolz hervorsuchen, aber aller Aufwand von Witz wird uns nicht überreden, daß der Edle in dem Augenblicke der Aufopferung für sein Vaterland mehr an die Begünstigung dieses Stolzes, als an das Wohl seiner Mitbürger gedacht habe.

Einen ähnlichen Unterschied wird man zwischen dem liebenden Mädchen und dem begeisterten Liebhaber finden. Dieser nutzt offenbar das lebende Original als ein bloßes Mittel, seine Phantasie mit einem Bilde zu füllen, und bezieht die Begünstigung dieses Triebes auf die Verbesserung seines Zustandes durch Spannung seines Kopfs. Der Zustand der Person, die den Stoff zu dem Bilde hergegeben hat, kümmert ihn nicht. Das liebende Mädchen hingegen, das sogar in seiner Nebenbuhlerin diejenige sieht, die seinen Geliebten beglückt, verliert sich