Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil | |
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Seele ein Ideal von Vollkommenheit, mit dem er sich aufs innigste zu vereinigen, dessen Vorzüge und Lage er sich ganz anzueignen strebt. Er erhält inzwischen mehr Kenntniß von der Welt, und den seichten Eigenschaften, welche erfordert werden, um darin zu glänzen, und seine Bewunderung wechselt mit Verachtung.
Noch einladender zur Begeisterung ist bey jungen Menschen erregte körperliche Lüsternheit, die mit Hindernissen zu kämpfen hat. Die ärgsten Buhlerinnen sind oft am allergeschicktesten, jungen Männern zu Symbolen verkörperter Tugend zu dienen, wenn entweder äußere Lagen sich der Befriedigung ihrer Begierden entgegen setzen, oder wenn die gewinnsüchtige Person ihre lang hinausgesetzte Gunst durch manche Opfer vorher erkaufen lassen will.
Ueberhaupt sind Hindernisse, welche sich der Annäherung an die Person, und besonders bis zur körperlichen Gegenwart und Vereinigung entgegen setzen, wichtige Beförderungsmittel der Begeisterung in allen ihren Graden. Sie veranlassen Bilder von einem geistigen und außerordentlichen Verhältnisse, welches bald auf die entfernten Gegenstände unserer Annäherungstriebe übertragen wird. Sie stören nicht die Phantasie durch Vorstellungen des Mangelhaften und Gewöhnlichen. Darum werden diejenigen Personen, welche sich mit Gott, Geistern und Personen weit über ihrem Stande zu vereinigen streben, am leichtesten in Schwärmerey gerathen. Sie finden aber auch am ersten Befriedigung, weil nichts ihre Illusion stört. Eben darum gerathen
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_1.djvu/329&oldid=- (Version vom 1.8.2018)