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der Begeisterung drohen, die durch ein bloßes Bild der Phantasie erweckt wird. Unbekümmert um das wahre Wohl der Person, welche nur den Stoff zu diesem Bilde hergegeben hat, müssen wir darnach streben, ihr nie so nahe zu kommen, um unser Ideal vermöge der Vergleichung zertrümmert, und die Spannung unserer Einbildungskraft geendigt zu sehen.

Der Ton einer Flöte, den ein junges Mädchen zum ersten Mahle bey Nachtzeit hörte, beflügelte seine Phantasie, sich den Spieler als den außerordentlichsten, liebenswürdigsten Sterblichen zu denken. In dieß Bild verliebte es sich, und blieb verliebt – bis es ihn sah.

Das Hinderniß, welches hier dem verliebten Mädchen auf eine Zeitlang physisch im Wege stand, sein Ideal mit dem Geliebten zu vergleichen, das empfinden viele andere geistig. Es liegt in unserer Eitelkeit, in unserm Hange zum Außerordentlichen, und sehr oft auch daran, daß wir den gespannten Zustand um der Spannung selbst willen lieb haben, und uns darin gefallen.

Das glänzende Aeußere, die Gewandheit, die Zuverlässigkeit gebildeter Weltleute pflegen gemeiniglich sehr stark auf die Phantasie des Neulings zu wirken, der zuerst in den geselligen Zirkeln auftritt. Die erste Empfindung ist peinlich; sie stellt den jungen Menschen in ein unvortheilhaftes Licht bey der Vergleichung, welche er zwischen seiner Lage und der des bewunderten Gesellschafters anstellt. Bezeigt ihm aber dieser die geringste Aufmerksamkeit, so trifft das Bild des Außerordentlichen auf seine Eitelkeit, und sogleich erscheint in seiner