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im Zustande gezärtelter Spannung zu fühlen, unbekümmert um des Andern Zufriedenheit und Wohl; – der liebt nicht, der handelt ganz selbstisch. Wie mag der Stutzer, wie mag das gefallsüchtige Mädchen, die nur auf Befriedigung ihrer üppigen Eitelkeit ausgehen; wie mag der verzärtelte Alte, dem nur unter dem Geschwätz tändelnder Weiber wohl ist; wie mag der leichtsinnige Phantast, der in jeder Schönen eine Göttin anbetet; wie mögen alle diese ihren Aufwallungen von Geschlechtssympathie den Nahmen der Liebe beylegen? Wenn der Jagdliebhaber in dem Fremdlinge den rüstigen Jagdgefährten; der Gelehrte, der Kunstliebhaber, in dem Durchreisenden den Mann von gleichen Kenntnissen und Geschmack; das geschwätzige Weib in der neuen Bekanntin das willige Ohr und die geläufige Zunge gern haben, und sich zu diesen Personen hingezogen fühlen; wird man diese Aufwallungen der Sympathie mit dem Gleichartigen Liebe nennen wollen? Nein! damit die Wirksamkeit der Geschlechtssympathie und der Sympathie mit dem Gleichartigen für Liebe gelten könne, muß das Streben hinzutreten, den Mitmenschen durch Befriedigung dieser Triebe, die wir bey ihm so wohl, als bey uns voraussetzen, zu beglücken. Inzwischen so viel ist gewiß: beyde Anlagen unsers Wesens sind äußerst geschickt, liebende Affekte hervorzurufen. Denn da die Erweckung der Geschlechtssympathie so wohl als der Sympathie mit dem Gleichartigen auf dem Gefühle eines Wohlverhältnisses unserer Naturen beruhet; so rechnen wir darauf, daß der Mensch, von dem wir die Befriedigung derselben erwarten, sich in einer gleichen Lage gegen uns befinden werde; und da diese Befriedigung nie vollständiger ist, als wenn die Wonne, welche wir erwecken, in uns zurückströmt;