Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil | |
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sie ist daher auch am gewöhnlichsten liebend. Oft aber beruht sie auch auf einer andern Art der vereinten Wirksamkeit der Phantasie und des Versetzungsvermögens, und dann hat sie nicht eben den Anspruch auf den Nahmen der Liebe.
Vielleicht läßt sich nun die Frage beantworten: ob es in unserer Gewalt stehe, die Leidenschaft der Liebe bey uns selbst zu erwecken? oder uns zu verlieben?
Dreist kann man hierauf antworten: nein! Aber wenn man die Frage so aufstellt: können wir die Disposition, die wir in uns zur Leidenschaft verspüren, befördern? so hat die Frage keinen Zweifel, und sie mag dreist mit ja beantwortet werden. Wer ein leidenschaftliches Herz hat, und auf einen Gegenstand trifft, von dem er ahndet, daß er ihm unter günstigen Umständen eine Leidenschaft einflößen könne, mag allerdings dazu beytragen, diese Umstände herbey zu führen. Aber gegen einen völlig indifferenten oder gar widerlichen Gegenstand Leidenschaft zu hegen, und noch dazu liebende Leidenschaft, – das ist eben so unmöglich, als unserm Nervensysteme, unserer Phantasie und unserm Herzen unbedingte Gesetze vorzuschreiben, oder unserer Sinnlichkeit Wollust und Wonne zu gebieten.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_1.djvu/270&oldid=- (Version vom 1.8.2018)