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den Begierden des unnennbaren Triebes, nicht bis zur Leidenschaft fortschreitet.

Mehrere Beobachter haben diesen Charakter gefühlt, ohne ihn bestimmt genug anzugeben.

Madame de Lambert sagt in ihrem Aufsatze über die Freundschaft. In der Freundschaft zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte bemerkt man einen Grad von Lebhaftigkeit, der unter Personen von dem nehmlichen nicht angetroffen wird. [1]

Ich kenne, sagt Rousseau, eine Empfindung, die süßer als die Liebe ist. Sie ist nicht so ungestüm als diese, aber tausendmahl köstlicher. Sie verbindet sich oft mit der Liebe, oft ist sie von ihr getrennt. Diese Empfindung ist auch nicht bloße Freundschaft, sie hat etwas wollüstigeres, zärtlicheres an sich, und ich zweifle, daß eine Person vom nehmlichen Geschlechte sie in uns aufregen werde. [2]

Man sieht deutlich, daß in beyden Stellen von der Geschlechtszärtlichkeit die Rede ist, und daß diese der Freundschaft so wohl als der Leidenschaft, ja, vielleicht auch der Zärtlichkeit im Bande mit Symptomen körperlicher


  1. Il y a toujours dans l’ amitié entre les personnes d’un Sexe different un degré de vivacité, qui ne se trouve pas entre les personnes d’un même Sexe.
  2. Je connois un sentiment plus doux que l’amour, moins impetueux, mais plus delicieux mille fois, qui quelquefois est joint à l’amour, et qui souvent en est séparé. Ce sentiment n’est pas non plus l’amitié seule; il est plus voluptueux, plus tendre, je n’imagine pas, qu’il puisse agir pour quelqu’un du même Sexe: du moins je fus ami si jamais homme le fût, et je ne l’éprouvai jamais prês d’aucun de mes amis. Confessions T. I. Liv. III.