Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil | |
|
Freundschaft ist angewöhntes, wonnevolles Streben nach beglückender Zusammensetzung zweyer Personen zu einer, durch Vermengung gleichartiger Naturen.
Geschlechtszärtlichkeit ist angewöhntes, wonnevolles Streben nach beglückender Zusammensetzung zweyer Personen zu einer durch Vermählung geschlechtsverschiedener Naturen.
Alle Anhänglichkeit besteht aus Affekten von sehr verschiedener Art. Dieß ist schon gesagt worden, es kann aber nicht genug wiederholt werden. Auch die liebende besteht nicht aus lauter Liebe. Gefühle des Beschauungshanges und der Selbstheit, der Wonne und des Bedürfnisses, mischen sich immer mit ein. Die Geschlechtszärtlichkeit beruht nicht auf bloßer Geschlechtssympathie; die Freundschaft nicht auf bloßer Sympathie mit dem Gleichartigen. Der Freund erhält manches von dem Freunde, was ihm die Geliebte gleichfalls geben könnte: der Liebhaber von der Geliebten manches, was
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_1.djvu/228&oldid=- (Version vom 1.8.2018)