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antreffen lassen, und die wir zur Vermeidung aller Mißverständnisse: die Vereinigung des selbstgewählten Bruders mit der selbstgewählten Schwester nennen wollen. – Gesetzt nun, wir haben einen Freund, einen zärtlich Geliebten von einerley Geschlechte mit dem unsrigen, wir sind aber auch mit einer zärtlich Geliebten von verschiedenem Geschlechte, mit einer Schwester unserer Wahl verbunden, welche keine körperlichen Begierden deutlich in uns aufregt; wie? werden wir die Natur, die engste Sinnlichkeit unsrer Seele, in den nehmlichen Fällen mit dem Freunde und mit der Schwester zu vereinigen suchen? Wird es uns einerley seyn, ob diese oder jener uns den Genuß der Mitfreude, des Mitleidens, der Mittheilung, des Raths, der Hülfe, u. s. w. bereite? Ich sage: keinesweges!

Ist es eine Vereitelung ehrgeitziger Plane, wie nur Männer sie bilden, welche uns Männer niederdrückt; so hoffen wir eher von dem Manne verstanden zu werden, und wenden uns an den Freund. Ist es Versagung kleiner häuslichen Vortheile, geselliger Auszeichnungen, so suchen wir eher Trost bey der Schwester. Der Freund würde sie weniger achten. Verlangen wir Aufforderung zur Stärke von der vordringenden Art, so giebt sie uns das Beyspiel und der Zuspruch des Freundes: Ermunterung zur Geduld giebt das Wort und das Beyspiel der Schwester. Fühlen wir den Uebermuth des geistigen Stolzes, so rechnen wir auf die Theilnahme des Freundes, und auf die Milderung desselben durch den Zuspruch der Schwester. Ist es Niederwürfigkeit die wir im schmelzenden Enthusiasmus fühlen; so rechnen wir auf die Theilnahme der Schwester, und suchen Aufrichtung bey dem Freunde. Erröthen wir vor Fehlern, zu denen